10 Platten für die Insel (Teil 1)

Die Behörde präsen­tiert: 10 Alben für die Insel!
Begin­nen wir heute mit Teil 1,
alle Artikel aus der Rei­he sind hier abrufbar.

Element of Crime — Damals hinterm Mond

Es muß ’92 oder ’93 gewe­sen sein, wir waren unter­wegs in den gold­e­nen West­en, um Franz‘ neuen alten Mer­cedes abzu­holen. Für 2000 DM irgend­wo im „Heißen Draht“ gefun­den, angerufen, Ter­min vere­in­bart, abge­holt. Muß irgend­wo bei Wolfen­büt­tel gewe­sen sein, das Auto gehörte — Klis­chee hin, Klis­chee her — tasäch­lich einem türkischen Gemüsehändler.

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Mir stand die Auf­gabe zu, Franz‘ alten VW Pas­sat zurück­z­u­fahren. Franz hat bis heute einen Plat­ten­laden in Magde­burg, unser Kon­takt ist zwar über die Jahre eingeschlafen, aber sein Laden existiert noch immer. Zum Dank für die Hil­fe beim Auto­holen schenk­te er mir eine CD: „Weißes Papi­er“ von Ele­ment of Crime. Nach Hause gekom­men, warf ich die CD in den Play­er und war for­t­an mit dem Ele­ment of Crime-Virus infiziert. Die „Weißes Papi­er“ liebe ich noch immer, ein paar Wochen später jedoch stieß ich auf das Vorgänger­al­bum „Damals hin­term Mond“. Müßte ich mich zwis­chen diesen bei­den Plat­ten entschei­den, was ich hier offen­sichtlich ger­ade muß, fiele mir die Wahl schw­er. Ich würde bei­de Plat­ten mit 10 von 10 möglichen Punk­ten bew­erten, den­noch mag ich den Mond ’ne klitzek­leine Idee mehr.

Die Plat­te ist fan­tastisch instru­men­tiert, Akustik- und Stromgi­tar­ren, Akko­rdeon, Geigen und natür­lich Sven Regen­ers Trompete. Die ist die ide­ale Begleitung für Regen­ers Texte, die zwis­chen Beziehungs­frust und Beziehungslust, Gesellschaft­skri­tik und Fer­n­weh pen­deln. Über­haupt, diese Texte. Feine Lyrik, immer haarscharf auf der Lin­ie zwis­chen Zer­brech­lichkeit und Wut tanzend, mal angenehm zurück­gelehnt und entspan­nt, oft zynisch, immer erstk­las­sig. „Damals hin­term Mond“, der titel­gebende Song zum Beispiel: Ein per­fek­ter Text, in dop­pel­ter Hin­sicht: zum einen beschreibt er her­vor­ra­gend das Ende ein­er Beziehung, zum anderen das Ende der Jugend. Oder „Ofen aus Glas“, die per­fek­te Hymne zur Selb­stauf­gabe und Erk­lärung der bedin­gungslosen Kapit­u­la­tion vor der Liebe. Sel­ten hat sich jemand schön­er aufgegeben. Ganz großes Kino, Fre­unde. „Wahr und gut und schön“, ein hämis­ch­er Blick auf die Schö­nen und Erfol­gre­ichen Anfang der 90er Jahre: „schöne Men­schen, wo auch immer Du hin­siehst und strahlende Gesichter auf dem Män­nerk­lo …“ und gle­ich danach gibt’s bei „Kein Schwein auf dem Tisch“ den zweit­en Run­dum­schlag, dies­mal allerd­ings in die andere Richtung.
Denkt man fün­fzehn Jahre zurück, da waren deutsche Texte jen­seits von Lin­den­berg meist pein­lich, oder gehörten zu einem Schlager, im schlimm­sten Fall traf bei­des zu. Definitv auch ein Ver­di­enst von Ele­ment of Crime und Sven Regen­er, das sich das geän­dert hat.

Der vor­let­zte Titel des Albums „Vier Stun­den vor Elbe 1“ ist ein tod­trau­riger Geniestre­ich. Gewid­met ist der Song Hel­ga Fed­der­sen, der Songti­tel ist dem gle­ich­nami­gen Film entliehen.

Drüben am Hor­i­zont ver­schwindet eine Landschaft
Ein Schnitt in die Brust ist der Abschied, doch dies­mal fällt er aus
Ich will mehr für Dich sein, als eine Schleusenbekanntschaft
Dies­mal mein Herz, dies­mal fährst du mit

Scheiß doch auf die Seemannsromantik
Ein Tritt dem Trot­tel, der das erfun­den hat
Nie­mand ist gern allein, mit­ten im Atlantik
Dies­mal, mein Herz, dies­mal fährst du mit

„Damals hin­term Mond“ ist für mich eines der besten deutschsprachi­gen Alben über­haupt, was die Qual­ität der Texte und den Stel­len­wert des Albums ins­ge­samt ange­ht, fall­en mir da besten­falls noch die Fehl­far­ben mit „Monar­chie und All­t­ag“ ein. Dazu dann mehr in Teil 2.





Ele­ment of Crime — Damals hin­term Mond
1991 — Poly­dor (Uni­ver­sal)

Blaulicht und Zwielicht / Geh doch hin / Damals hin­term Mond / Mach das Licht aus, wenn Du gehst / Rein gar nichts / Ofen aus Glas / Wahr und gut und schön / Wieder ein Tag / Kein Schwein auf dem Tisch / Vier Stun­den vor Elbe 1 / Carla


8 Kommentare zu „10 Platten für die Insel (Teil 1)“

  1. Schöne Idee und schön­er Beginn. Nötigt mich sofort, dieses Schmuck­stück von Plat­te auch mal wieder zu hören. Bin ges­pan­nt wie es weit­er geht.

  2. ja mein Lieber … ich kann Deine Zer­ris­senheit deut­lich nachvol­lziehen, auch wenn ich mit der ‚Mond‘ ange­fan­gen habe und chro­nol­o­gisch mit den EoC Plat­ten mit­ge­gan­gen bin. den mond finde ich per­sön­lich auch am besten, er ist ein­fach tragisch schoen und voller tiefer melan­cholie, mein per­sön­lich­er liebling ist dabei ‚Vier Stun­den vor Elbe 1‘ … da füh­le ich mich per­sön­lich auf einem kleinen kut­ter (abge­se­hen von mein­er realen seekrankheit) ein­sam auf dem meer und die klein­er wer­den­den lichter am hor­i­zont betra­ch­t­end … ganz gross ❗

  3. .…mein ama­zon Liefer­ung ist heute gekom­men (…nor­maler­weise geh ich echt immer brav zu den Jungs in den Laden… ) — die CDs machen ein windi­ges Herz annäh­ernd so glück­lich wie Nick Horn­by lesen- oder ( was die Liefer­ung abgerun­det hat: ) “ I´m not there“ anse­hen ( immer und immer wieder- weil so reich­haltig.… ) .…hoffe ich kann mich mit genan­nten Tips adäquat revanchieren 😉

  4. Freut mich, daß Du Gefall­en an den Crim­inellen Ele­menten gefun­den hast. Horn­by geht natür­lich immer und „I’m not there“ ist mit der blanchierten Cate, oder?! Die geht natür­lich auch immer, kön­nte von mir aus auch ’ne Tanksäule spie­len, ich würd’s trotz­dem guck­en. Danke für die fre­undlichen Hinweise!

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