Über die Begrüßung

Es schallt ein Gruß durch die Rabat­ten, ein Gruß den wir schon gestern hatten:

„Guten Mor­gen Siegfried!“ — „Guten Mor­gen Horst!“

Erin­nert sich noch jemand an den Film Del­i­catessen? Da kam es vor, daß sich Post­bote und Bürg­er­meis­ter mit ihren Berufs­beze­ich­nun­gen begrüßten: „Guten Mor­gen Post­bote!“ — „Guten Mor­gen Bürg­er­meis­ter!“ Eine schöne Sitte, die auf dem Lande immer noch gepflegt wird. Wenn auch mit Abwand­lun­gen, wir grüßen uns beim Vor­na­men. Zum einen, weil das höflich ist und gut klingt, zum anderen, weil die Demenz hier in großen Schrit­ten voran­marschiert. Hört man seinen eige­nen Namen täglich min­destens ein­mal und weiß darüber­hin­aus den des Nach­barn noch, ist alles im Lot. Dr. Kawasakis (oder wie auch immer sein Name ist, der Dok­tor möge mir verzei­hen!) Gehirn­jog­ging auf Nin­ten­do XL (oder wie das Ding heißt, die Fir­ma möge mir verzei­hen!) — Pustekuchen! So neu­modis­chen Tin­nef brauchen wir hier nicht!
Darüber­hin­aus ist das gegen­seit­ige Vor­na­men­grüßing (neues Trend­wort, ger­ade erfun­den!) auch Zeichen ein­er vorhan­de­nen Sozialkom­pe­tenz und eines gewis­sen Inter­ess­es an der Dor­fge­mein­schaft. An let­zt­ge­nan­nter sollte man zwin­gend inter­essiert sein, son­st hat man eventuell einen schw­eren Stand oder gilt als unko­op­er­a­tiv­er Eigen­brötler mit min­destens drei Leichen im Keller. Das kön­nen sprich­wörtliche Leichen sein oder gern auch mal echte. Allerd­ings sieht man den Leuten, die tat­säch­liche Leichen im Keller haben, diese Leichen­hab­erei meist gar nicht an. Das sind immer diejenin­gen, von denen die Nach­barn dann später in den RTL-Nachricht­en behaupten „von dem hätte ich das nie gedacht!“. Diese faden­scheinige Erken­nt­nis wird den Nach­barn dann auch noch mit ein Paar Sil­ber­lin­gen ver- genau! -sil­bert.

Kommt der gütige Herr Land­graf mal zu Besuch (immer son­ntags!) um seine umfan­gre­ichen Län­dereien zu inspizieren, fällt solch ver­traute Begrüßung natür­lich aus. Da macht man brav einen Diener oder einen Knicks und for­mvol­len­det die Geste der Unter­wür­figkeit mit einem „Einen feinen guten Mor­gen wün­sch ich, gütiger Herr Land­graf!“. Dann guckt der gütige Herr Land­graf ganz zufrieden und anschließend auf seine Län­dereien. Wenn alle Kartof­feln und Rüben noch da sind, hat man weit­er nichts zu befürcht­en. Zum Abschied wirft der gütige Herr Land­graf immer einige Pfen­nige in die spalier­ste­hende Menge und zum Dank dafür schallt ihm ein tausend­fach­es „Vergelt’s Gott, großar­tiger Herr Land­fachar­beit­er!“ ent­ge­gen.

So sind wir, immer fre­undlich, immer höflich. Und immer frisch gewaschen.

3 Kommentare zu „Über die Begrüßung“

  1. Dieses ständi­ge begrüßen, selb­st von Unbekannten…musste ich mir nach meinem Umzug vom Lande nach Berlin schnell abgewöhnen.

    Grüße mal die Leute beim Betreten eines U‑Bahnwaggons… pures Entset­zen und Angst, dass ich gle­ich ein Mess­er zücke waren die Folgen.

    Im Wartez­im­mer meines Arztes  wollte mich gle­ich ein­er mit nach Hause nehmen…mein Ein­wand ich habe einen Fre­und (zu der Zeit gel­o­gen) beein­druck­te den nicht — er habe auch ne Fre­undin — macht doch nichts — kam gle­ich die Erwiderung.

    Ach…als ich dann noch ne Gruppe von Typen vorm Spätkauf nen Guten Abend wün­schte wurd’s fast gefährlich…gilt wohl hier in Berlin als direk­te Aufforderung.…

    Blödes Grüßen lass ich jetzt!

  2. berufs­be­d­ingt grüße ich gefühlte 400 mal am tag. ..hm..so gese­hen bin ich dann doch froh, in ein­er kle­in­stadt zu leben, das ist nicht so unper­sön­lich, o.k. was für eine bin­sen­weisheit.  moloch  berlin ist halt härter. rau und (?) her­zlich, oder nur rau.

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