„Winke, Winke, da kommt der alte Knufinke!“ riefen die Lausbuben und Lausmadeln schon vor mehr als sechshundert Wintern, wenn der alte Franz Knufinke mit seinem Pferdefuhrwerk den Hof verließ, um verschacherte Esche nach Tschechien zu liefern.
Urururururururururururururururururururururenkel Fritz Knufinke ist der Passion der Familie bis heute treu geblieben: Seine internationale Spedition liefert Franzbranntwein bis in den Ural, Mistgabeln nach Aschaffenburg oder amerikanische „Hot Stone“ Handwärmer bis Bangladesh.
Es sollte sich also niemand wundern, wenn auch heute noch oft der vielstimmige Chor am Straßenrand erschallt „Winke, Winke, da kommt der alte Knufinke!“.
Lange keine Bandvorstellung mehr auf diesen Seiten – höchste Zeit, das zu ändern! Heute soll es um fünf Buben aus Paris gehen. Paris liegt in Frankreich und dort ißt man Baguette und trinkt roten Wein. Im Jahre 1980 sperrte der große französische Staatspräsident François Mitterand die fünf Pariser Buben in eine Garage in der Pariser Vorstadt ein. Der alte Mann sprach: „28 Sommer und 28 Winter sollen nun ins Land gehen, bevor euch die Freiheit geschenkt! Und bringt mir ein wenig Musique mit!“. Die Buben taten wie geheißen, brachen 2008 unter dem Namen Fix-It aus der Garage aus und lieferten mit Kill Kill Kill ein furioses Debütalbum ab. Nachgelegt wurde in diesem Jahr mit Who’s The Pig?, das auf meinem augenblicklichen Lieblingslabel P.Trash Records erschienen ist.
Alle Freunde des 77er Punkrocks sollten dringend mal reinhören. Obenstehendes Video ist leider von mäßiger Soundqualität und vermittelt nur einen unzureichenden Eindruck von Fix-Its musikalischen Qualitäten. Wer Fix-It kaufen möchte, bekommt beide Platten für kleines Geld beim oben erwähnten Peter Trash in Bielefeld. Und zwar ausschließlich als Schallplatte. Wer dennoch jung, modern und digital sein möchte, kann sich Fix-Its Zweitwerk kostenlos und legal hier herunterladen.
Demnächst im Buchladen eures Vertrauens: Lost Places Magdeburg. Der Fotoband von Marc Mielzarjewicz fängt das architektonische Siechtum einst imposanter Bauwerke ein und dokumentiert – nach seinen bereits drei erschienenen Bänden Halle, Leipzig und Beelitz-Heilstätten – erneut den langsamen Abschied von Industrialisierungsbauten – dieses Mal in Magdeburg. Dabei spielt er in gewohnter Manier geschickt mit Licht, Schatten und Formen.
Mehr Fotos von Herrn Mielzarjewicz gibt es auf seiner Website. Sehenswert!
Das Copyright für alle Fotos liegt bei Marc Mielzarjewicz.
Lost Places Magdeburg Spuren der Zeit Bildband Mit Textbeiträgen von Sabine Ullrich deutsch/englisch
Nach Frank Turner am Mittwoch in Hannover bereits das zweite Konzert in dieser Woche: Die furiosen Fjordfurien von Katzenjammer gaben sich im ausverkauften Alten Theater zu Magdeburg die Ehre. Die vier grandiosen Grazien aus Norwegen sorgten mit ihrer mitreißenden Mischung aus Jazz, Rock, Gypsy-Punk, Soul und Chanson für eine fantastische Stimmung und wurden vom Publikum frenetisch gefeiert.
Das Vorprogramm bestritt eine Frau mit dem schönen Namen Unni Wilhelmsen. Geboten wurde recht belangloser Singer-/Songwriter-Pop mit minimalsten Folkeinflüssen. Ganz nett, aber eben auch nicht mehr.
Die Jammerkatzen boten dann anschließend handwerklich erstklassige Kost, was sich unter anderem daran festmachen läßt, daß jede der vier Norwegerinnen fast jedes Instrument spielen kann. Und auch spielt, so gab es dann einen stetigen Instrumentenwechsel. Selbige waren zahlreich vorhanden, so gab es die bekannte Bass-Balalaika, das Akkordeon, die Mandoline, das Elektroklavier, das Schlagzeug, die Mundharmonika, das Banjo, das Glockenspiel und beim grandiosen A Bar In Amsterdam natürlich auch die Trompete zu sehen und zu hören.
Anschließend gab’s noch eine Autogrammstunde am Merchandise-Stand, die wir aber nicht mehr wahrgenommen haben. Die Damen scheinen sehr auf dem Boden geblieben zu sein, wenn sie sich trotz des mittlerweile internationalen Erfolges nach dem Konzert sogar noch unter das Publikum mischen.
Ein feucht-fröhlicher, beschwingter und gutgelaunter Abend mit einer exzellenten Liveband. Takk og beste ønsker, Katzenjammer!
Stellvertretend und für einen kleinen Eindruck hier ein Live-Mitschnitt vom exzellenten To The Sea.
Frank Turner & The Sleeping Souls
live im Kulturzentrum FAUST (60er Jahre Halle)
Am gestrigen Abend hieß es mal wieder, den Volkswagen zu satteln und ihm die Sporen zu geben. Dieses Mal wieder in Richtung Westen, über die Landesgrenze nach Hannover. Im Kulturzentrum Faust spielte Frank Incredible Turner, der Wirbelwind von der Insel, zum Tanze auf. Die Tickets lagen in weiser Voraussicht bereits seit Monaten bereit, was ich gestern Abend als kluge Entscheidung erwies. Das Konzert war ausverkauft und die Schlange am Einlaß ebenso endlos wie kalt.
Die Anfahrt verlief problemlos. Allerdings läßt der Straßenzustand der Autobahn 2 zwischen Helmstedt-Ost und Peine doch sehr zu wünschen übrig. Die Autobahn ist dort eine Berg- und Tal-Schunkel-Bahn, was mich umgehend zu der Erkenntnis brachte, daß der Abschwung West weiter in vollem Gange ist, während die in den letzten 20 Jahren auf den Boden gestampften Schnellfahrbahnen im Osten unseres Vaterlandes durch eine ebenso glatte wie elegant bitumierte Oberfläche zu überzeugen wissen. Wie auch immer – wir überwanden die Paß- und Visakontrolle in Marienborn ohne größere Probleme und kamen pünktlich in Hannover an. Die Parkplatzsuche gestaltete sich äußerst schwierig und langwierig, da das Kulturzentrum Faust recht zentral in Hannover-Linden gelegen ist. Schlußendlich fanden wir dann aber doch noch einen Parkplatz, allerdings einen, bei dem die hohe Kunst des zentimetergenauen Einparkens gefragt war. Kraft unserer Wassersuppe und Lenkbewegungen meisterten wir aber auch diese Hürde.
Am Faust angekommen, fanden wir eingangs erwähnte Schlange vor. Nach gut 15 Minuten waren wir an der Pole Position angelangt und prompt wurde uns Einlaß gewährt. Das Faust gliedert sich in mehrere Objekte und Lohkähschens, wie z. b. die Warenannahme, die Kunsthalle und eben die bereits genannte 60er Jahre Halle. Wir betraten also letztere, holten uns den obligatorischen Stempel ab und wurden nur kurz per Sichtcheck von der (sehr freundlichen!) Security überprüft. Die Halle entpuppte sich rein größentechnisch eher als mittelgroßer Schuppen. Ein LKW wäre dort vielleicht abstellbar, oder auch 150 Fahrräder. Aber nur, wenn man sie ordentlich stellt. Immer hübsch seitenverkehrt – Lenker an Hinterrad und andersherum. Konkreter werdend, würde ich sagen wollen, daß vielleicht 300 bis 400 Menschen in der Halle Platz fänden.
Kurz den Merch-Stand gecheckt (alles bereits vorhanden!) und dann erstmal ein Bier getrunken. Zu den Bierpreisen kann ich nichts sagen, da meine Begleitung so freundlich war, mich ernährungs- und getränketechnisch über den Abend zu retten. Im Gegenzug fuhr ich und spendierte die Tickets.
Nach längerer Warterei und dem obligatorischen Publikumscheck (Alles von 20 bis 40, hoher Frauenanteil), betraten dann auch schon die Herren der The Xcerts die Bühne. Geboten wurde wenig origineller Noiserock mit starken Emo-um-das-Jahr-1992-Einflüssen. Ganz nett, aber nicht nicht nett genug, als daß ich beispielsweise einen Tonträger der Formation besitzen wollte.
Nach kurzer Umbaupause dann endlich unser angelsächsischer Rächer aus Winchester Forest – Frank Amazing Turner! Los ging’s mit Eulogy vom letzten Album England Keep My Bones und von Sekunde 1 an ertönte der vielstimmige Chor aus Publikum und Frank Unbelievable Turner selbst. Was folgte war ein Hitfeuerwerk aus zunächst fünf Songs (genaue Setlist wird nachgereicht!) das kaum Zeit zum Luftholen ließ. Vielfach reckten sich bereits während den ersten Songs die Fäuste in die Lüfte und stellenweise sang das Publikum lauter als unser Hauptakteur selbst.
Dann erst die Begrüßung des Publikums durch Mr. Turner. Er erwähnte, daß sein erster Solo-Headliner-Ging vor Jahren im Chez Heinz in Hannover stattfand, weshalb er mit der Stadt besonders verbunden wäre. Alter Schleimer. Was folgte, waren insgesamt 90 Minuten Wahnsinn, Hits und gute Laune, nur unterbrochen durch die eloquenten Geschichten und Anekdoten, die Frank Turner zwischendurch zum Besten gab. Immer eingestreut in seine Geschichten sind die Worte fucking, fuck, motherfucking, Motherfuckers und shit. Das wirkt aber nie peinlich oder aufgesetzt, sondern einfach herzerfrischend und leidenschaftlich. Toller Mann, und das sage ich als Heterosexueller.
Dazwischen immer wieder die Aufforderung zum Mitsingen, der massenhaft nachgekommen wurde. Nebenbei gab es ein paar deutsche Sätze, beispielsweise wenn Mr. Turner das Publikum zu noch mehr Einsatz auffordern wollte: „Bizt Du mude? Kannst Du noch? Bizt Du Osterreicher?“. Was haben wir gelacht!
Vor Glory Hallelujah(„There never was no god“) entschuldigte er sich beim Publikum präventiv, falls er irgendjemandes religiöse Gefühle verletzten sollte. Man solle als Christ, Moslem, Whatever halt nicht hinhören und könne ja später trotzdem zusammen ein Bier an der Bar trinken. Korrekte Einstellung, wie ich finde. Das gleiche auch in Anspielung auf den Albumtitel England Keep My Bones („Germany and England were in fuckin‘ war with each other. But now were friends, aren’t we?). Bei Dan’s Song dann der ultimative Höhepunkt der Publikumsbeteiligung – die Air Harmonica! Da Mr. Turner seine Mundharmonika im Suff in Australien verloren hat, mußte das Publikum einspringen. Nach kurzer Probe und Einweisung durch den Meister ging’s dann im entsprechenden Mundharmonika-Part von Dan’s Song auch richtig ab: Das gesamte Publikum nahm seine imaginären Mundharmonikas vor den Mund und es erscholl ein hundertfacher Jaul- und Jammerchor, was für überbordende Heiterkeit sorgte.
Mittendrin gab’s noch eine großartige Coverversion von Queens Somebody To Love, das exzellente Sons Of Liberty und „for all the old punks in die audience“ das epische Love Ire & Song. Dann auch noch das berührende Long Live The Queen, da bleiben bei mir absolut keine Wünsche mehr offen.
90 Minuten waren viel zu schnell vorbei. Die Zugabe bestand aus Ballad Of Me And My Friends und Photosynthesis, welches zum allerletzten Höhepunkt wurde. Erneut wurde massive Publikumsbeteiligung eingefordert, und beim Gesang von „I won’t sit down and I won’t shut up and most of all I will not grow up“ fühlten wir uns wie eine Armee von berufsjugendlichen Minderjährigen auf Glückshormonen. Fuckin‘ amazing!
Abschließend das Fazit: Ein famoser Abend mit einem famosen Frank Unfaßbar Turner und einer großartig eingespielten Band. Eines der besten Konzerte, daß ich jemals besuchen durfte. Wenn Frank Turner in eurer Nähe spielt, geht hin. Der Mann ist jeden verdammten Cent wert.
Wir sehen uns am 2. Dezember in Berlin. 😀
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