[Werbung] Schöner leben mit Kukodont Classic

Sehr geehrte Lesezirkel-Abonnenten,

mein Name ist Gun­nar Roß und ich habe große Teile der Welt­geschichte ver­schlafen. Dieser Beitrag enthält einen Wer­be­link, der mir schweinemäßig viel Kohle ein­bringt. Ich habe meine Seele an den Teufel verkauft und es fühlt sich fan­tastisch an. Warum, weshalb und wieso, das möchte ich Ihnen gern in meinem heuti­gen Beitrag erk­lären. Vorher möchte ich noch darauf hin­weisen, daß dieser Text erst­mals mit Fußnoten verse­hen ist. Klick­en Sie dazu nun bitte test­weise auf die kleine ((Das haben Sie ganz pri­ma gemacht! Sie kön­nen jet­zt ein­fach auf das kleine Häckchen am Ende der jew­eili­gen Fußnote klick­en und gelan­gen prompt an Ihre wohlver­traute Leses­telle zurück. Tolles Ding, diese schöne neue Welt!))

Am frühen Mor­gen des 10. Novem­ber 1989 schwang ich mich eben­so lust- wie stil­voll auf mein Kleinkraftrad vom Typ Sim­son S51 elec­tron­ic ((In dunkel­grün, der Farbe der Gewin­ner!)), um zum Früh­di­enst im Werk II eines hier nicht näher zu beze­ich­nen­den Kom­bi­nats zu düsen. Es han­delte sich nicht um ein Atom­kraftwerk, soviel sei ver­rat­en. Ich heizte also über die Bun­desstraße 71, deren Verkehrsaufkom­men damals mit dem heuti­gen nicht zu ver­gle­ichen ist. ((Würde man den­noch einen Ver­gle­ich wagen, kön­nte man fest­stellen, daß heutzu­tage ein Vielfach­es an Verkehrs­geschehen vorhan­den ist. Damals jedoch gehörte die Straße mir beina­he ganz allein.)) Ich war King of the Road, frei wie der Wind, und bere­its um ca. 5.30 Uhr ver­dammt gut gelaunt. Pünk­tlich gegen 6.00 Uhr traf ich an meinem Kom­bi­natssitz ein. Ich durch­schritt entschlossen der Flure über­mächtiger Zahl und begab mich in einen Raum, den man damals nur mit sehr viel gutem Willen Büro schimpfen kon­nte. Mit heuti­gen Büro­maßstäben nicht mehr zu ver­gle­ichen, würde man den­noch einen Ver­gle­ich wagen, kön­nte man wieder oben beim The­ma Verkehr weit­er­lesen. Die Zeit­en sind eben andere und die Maßstäbe sowieso, und was zu jen­er Zeit schon schlecht war, wird auch in ein­er nos­tal­gis­chen Verk­lärung nicht bess­er. Doch zurück zum The­ma: Ich traf also im Büro ein und mußte fest­stellen, daß ich allein war. Mut­tersee­le­nallein. Kein Men­sch da. Nie­mand außer mir. Ich dachte nach, ob es vielle­icht möglich wäre, daß ich den Tag ver­wech­selt hätte? Hat­ten wir eventuell Sonnabend und ich wäre vielle­icht völ­lig umson­st los­ge­heizt? Nein, es mußte stim­men: Wir schrieben Fre­itag, den 10. Novem­ber 1989. Ich hat­te mich nicht ver­tan, soviel war sicher.

Den­noch schien mir die beina­he kom­plette Abwe­sen­heit der Belegschaft rät­sel­haft. Ich schrak aus meinen Gedanken, als das Wandtele­fon plöt­zlich sehr heftig vor sich hin bim­melte. Nicht elek­tro­n­isch und dezent wie heutzu­tage, nein mech­a­nisch, wild und zu allem entschlossen. PLÄRR! PLÄRR! PLÄRR! so schep­perte der muse­um­sreife Appa­rat. Ich nahm den Hör­er ab. Am anderen Ende der Leitung eine Kol­le­gin, die mich bat, dem Chef fol­gen­des auszuricht­en: „Ich komme heute nicht zur Arbeit, ich fahre nach Helm­st­edt!“. In Ord­nung, so dachte ich mir, das richte ich natür­lich aus. Zwei Minuten später die näch­ste Kol­le­gin, der näch­ste Anruf. Auch sie käme heute nicht zur Arbeit, da sie eben­falls „auf dem Weg nach Helm­st­edt“ sei. Toll, dachte ich mir, dieses Helm­st­edt muß ja ein ganz zauber­hafter Ort sein, wenn da alle so am Fre­itag­mor­gen mal eben rasch hin­fahren. Aber HALT!, Helm­st­edt?! Helm­st­edt?! Helm­st­edt?! War da nicht irgend­was, bzw. war das nicht irgend­wo anders, dieses Helm­st­edt?! Lag das nicht im West­en? Also hin­ter der Gren­ze? Auf der anderen Seite der Mauer? Im West­en? Im WESTEN? Im W‑E-S-T-E‑N???

Ich mußte nach­denken. Irgen­det­was kon­nte hier stim­men.  Ich blieb jeden­falls den Rest des Vor­mit­tags allein im Büro, ohne Radio und ohne jede Verbindung zur Außen­welt. Irgend­je­mand muß mir dann im Laufe des Tages verk­lick­ert haben, daß Genosse Gün­ther Sch­abows­ki am Abend zuvor eher unab­sichtlich die Mauer geöffnet hat­te. Lei­der erre­ichte mich diese Infor­ma­tion erst einige Stun­den später. Auf meinem abgeschiede­nen Kuh­dorf gab es keine beson­dere Verbindung zur Außen­welt, der einzig heiße Draht war der der „Aktuellen Kam­era“, die ich jedoch auf­grund des bräsi­gen Singsangs und der akuten Inhalt­sar­mut nur äußerst sel­ten ein­schal­tete. Das Inter­net war noch nicht erfun­den bzw. ver­füg­bar und außer­dem hat­te ich gar keinen Com­put­er. ((Ich hat­te auch kein Handy, kein Auto, keine wirk­lich schöne Jacke und keinen Durch­blick; aber das ist ein kom­plett anderes The­ma.)) Die Pressekon­ferenz vom Genossen Sch­abows­ki jeden­falls wurde live im DDR-Fernse­hen über­tra­gen, ich aber sah sie nicht und ging dann später schlafen. So kann’s gehen: Da hab ich schon mal ein Stück Welt­geschichte qua­si vor der Kuh­stalltür, und was passiert? Ich ver­schlafe und lasse sie acht­los vor­beiziehen. Ein Trauerspiel.

Die Zeit zog nun also auch mit geöffneter Mauer weit­er ins Land. In den Tagen nach dem 9. Novem­ber bröck­elte zusät­zlich zur Berlin­er Mauer auch die innerdeutsche Gren­ze. Meine gnädi­ge Frau Mut­ter und mein gnädi­ger Herr Vater weil­ten zum Zeit­punkt des Mauer­falls in der dama­li­gen ČSSR. Sie hat­ten für eine Urlaub­sreise nach langem hin und her tat­säch­lich zwei Visa bekom­men und vergnügten sich im schö­nen Böh­mer­wald bei Blas­musik und Knödeln.

Einige Tage später, es muß so um den 11./12. Novem­ber gewe­sen sein, schellte das heimis­che Tele­fon. Meine Fam­i­lie hat­te eine dreis­tel­lige Num­mer, ich ver­rate sie sog­ar, es war die 3, die 5 und die 8. Aber in ein­er anderen Rei­hen­folge. Dreis­tel­lige Num­mern, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen! Bei der Vielzahl der Teil­nehmer [sic!] heutzu­tage, würde man unter ein­er dreis­tel­li­gen Num­mer gar nie­man­den mehr erre­ichen, außer vielle­icht die Polizei, die Feuer­wehr oder die SMH ((Schnelle Medi­zinis­che Hil­fe)). Bei denen würde es dann immer klin­geln, was schlecht wäre. Man ver­löre im Not­fall wertvolle Zeit und außer­dem würde Chaos herrschen. Chaos finde ich nicht gut, ich finde Ord­nung bess­er. Jeden­falls schellte das Tele­fon und ich ging ran. Tada, die liebe West­ver­wandtschaft! Die schwatzhafte Schwipp­schwägerin der Schwiegercou­sine mein­er schwäbis­chen Schwiegertochter oder sowas in die Rich­tung. Aber nicht ganz so weit weg. Son­dern näher dran. So nah nun aber auch wieder nicht, immer­hin sind meine Eltern Einzelkinder.

Jet­zt hab ich den Faden ver­loren, nochmal von vorn: Bim­mel­bim­mel. Tele­fon. West­ver­wandtschaft. „Wo bleibt ihr denn? Die Gren­zen sind offen! Kommt ihr uns nicht besuchen???“. Mut­ti und Vati ((Jaja, „Mut­ti“ und „Vati“, so sagte man damals. Heute sagt man Mama und Papa, oder was sagen Sie eigentlich heute zu Ihren gnädi­gen Eltern?)) sind nicht da, sprach ich. Ich habe lei­der wed­er PKW noch den dazuge­höri­gen Führerschein, ihr müßt euch also noch ein paar Tage gedulden.

Am 17. Novem­ber 1989 war es dann soweit. Meine gnädi­ge Frau Mut­ter und mein gnädi­ger Herr Vater waren inzwis­chen wieder aus der Tsche­choslowakei eingetrof­fen. Sie stiegen in ihren Tra­bant ((Cham­pag­ner­beige mit ock­er­far­ben­em Dach — Duo­col­or!!!)), luden den kleinen Gun­nar und seine Schwest­er Luise ein, und fuhren mit Voll­gas bzw. der Geschwindigkeit, die man damals dafür hielt, auf die Auto­bahn 2 in Rich­tung Marienborn/Helmstedt. So richtig kon­nten wir es gar nicht glauben, als die mür­rischen Gren­z­er einen Stem­pel in den blauen DDR-Per­son­alausweis drück­ten: Irgend­was mit Visum muß da ges­tanden haben, mein Ausweis ist lei­der über die Jahre abhan­den gekom­men. Kaum hat­ten wir die Gren­ze passiert, da leuchtete der gold­ene West­en schon in sein­er ganzen Pracht: Alles war unfaßbar bunt, alles roch unglaublich gut und neu und kaum hat­ten wir auf der Suche nach dem richti­gen Weg am Straßen­rand gehal­ten, schon hiel­ten Pas­san­ten an und fragten uns in unge­spiel­ter Höflichkeit, ob und wie sie uns denn weit­er­helfen kön­nten. Das tat­en sie dann auch, indem sie uns den Weg wiesen. Keine Stunde später waren wir auch schon da — was im Som­mer 1989 noch in ein­er anderen Welt lag, war nun ger­ade mal 40 km Luftlin­ie entfernt…

So und nicht anders ist es passiert, liebe Leserin­nen und Leser! Im näch­sten Teil dieser haarsträuben­den Mini-Serie berichte ich Ihnen dann u. a. was es zu essen gab, warum ich vom gold­e­nen West­en nicht ganz so begeis­tert war, wie ich im Win­ter ’89 mal vor ein­er Kreuzberg­er Wagen­burg stand, warum wir Waf­fen nach El Sal­vador schafften … und andere weg­weisende Erken­nt­nisse und Begeben­heit­en aus dem Leben eines Forstingenieurs!

Bis dahin Genossen und ein dreifach­es Hos­sa! auf ein Leben in Frei­heit und Selb­st­bes­tim­mung! ((Auch wenn viele gar nicht selb­st bes­tim­men kön­nen. Oder wollen. Aber das ist schon wieder ein ganz anderes Thema…))
Euer Gun­nar Roß

P.S. Liebe west­deutsche Leserin­nen und Leser! Aufgeschreckt durch eine Wort­mel­dung vom Genossen Mar­cus W. aus Süd­deutsch­land, welch­er sich nicht erin­nern kon­nte, was er am 9. Novem­ber 1989 so getrieben hat, stellt sich mir die Frage: Welche Bedeu­tung hat dieser Tag eigentlich für euch? Und warum wollen soviele von euch diese beschissene doofe Mauer wieder haben?

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