Ich habe in den letzten Stunden zuviel Ronny Gander gehört. Jetzt bin ich ganderschön durch den Wind, mein lieber Ronny! Zum Ausgleich etwas Frank Turner. Tape Deck Heart war eine schwache Platte, muß man mal so sagen. Deshalb was älteres, aber nichts ganz altes. Da fällt mir ein: Ich weiß gar nicht, was Redemption übersetzt heißt. Gleich mal nachschlagen. I’m quite schlecht im Englischen but pretty firm in telling you Kauderwelsch. Bis neulich wußte ich nicht mal, was Surrender heißt. Aber ich übe täglich, denn das hält mich jung, konsensfähig und wertstabil. Erlösung.
Wie immer mit leichter Verspätung: Eine kleine Übersicht über meine persönlichen Lieblingsalben des Jahres 2011. Wie immer gilt auch in diesem Jahr: Das Album muß nicht zwangsläufig im letzten Jahr veröffentlicht worden sein; als Kriterium gilt ausschließlich die persönliche Entdeckung der entsprechenden Platte in 2011. Es kann also durchaus ein Album aus dem Jahre 1695 sein..
EA80 – Definitiv: Nein! /// Plötzlich ist alles wieder wie früher. Teenage Angst, Melancholie und diese unerklärliche Wut, die tief aus dem Bauch kommt. Ich fühle 1992 förmlich in den Knochen und EA80 sind immer noch dabei, wie ein guter Freund der mit Dir alt geworden ist und Dir den Kopf hält, wenn Du kotzen mußt. Bestes Kopfkino und demotivierendstes Zumfrühdienstfahr-Album aller Zeiten. Beste Momente: Die „drei Songs in einem“ und das Hymnenhafte in Bestandteile und – natürlich! – das epische Die Suche, der passendste aller Silvestersongs. EF – Mourning Golden Morning /// Von ihrer Reise ins schöne Schweden brachte uns die Christel von der Post den gleichnamigen Rock mit. Schöner hat Christels Postrock nie geklungen: Wunderbar entspannt, scheinbar wie locker aus dem Ärmel geschüttelt und dennoch strukturiert und dramatisch. Würde ich Drogen nehmen, würde ich sie zu dieser Musik nehmen. Beste Momente: Das Schlagzeug am Beginn von K‑141 KYPCK und das wunderbare Longing For Colors mit seinem zweistimmigem Gesang der mich schwer an Monochrome erinnert. Fix-It – Kill Kill Kill /// Go Fuck Yourself! Gleich im ersten Song des Albums machen Fix-It alles klar. We are Fix-It we fight them all! So mag ich meinen Punkrock: Rotzig, mitten in die Kauleiste, ordentlich garagig (aber nicht zu dreckig) und mit schwerem ’77-Einschlag. 100% DIY und nicht der übliche Industrie-Dreck, der den Kids von heute als Punk verkauft wird. No Passion, No Reaction! Das Bild links zeigt übrigens auch das zweite Album namens Who’s The Pig? welches ich ebenso uneingeschränkt empfehlen kann. Beste Momente: Das ganze verdammte Album, Alter! We need to feel the fire inside! Ivan Mládek Mit Seiner Hexenschuss-Band – Guten Tag! /// Mein persönlicher Running Gag des Jahres: Ursprünglich hatte ich mal das inzwischen wohl weithin bekannte Jožin Z Bažin von der Banjo Band Ivana Mládka entdeckt. Ivan Mládek ist in Tschechien und der Slowakei ein großer Star. 1982 veröffentlichte seine Banjo-Band ein Album mit ihren größten Hits – gesungen auf Deutsch. Dazu wurden alle tschechischen Originaltexte mehr oder minder sinnvoll eingedeutscht und heraus kam ein lustiges und stellenweise absurdes Kleinod. Um diese Platte zu lieben braucht man wohl einen merkwürdigen Humor … ich jedenfalls liebe sie und habe sehr lange nach ihr gesucht. Schlußendlich fand ich sie für nur 5 EUR auf eBay… Beste Momente: So richtig eigentlich keiner. Irgendwie aber auch alle. 😀 Out On A Limb – Drowned /// Den Postrock hatten wir weiter oben schon, hier kommt der Postpunk aus Karl-Marx-Stadt. Schön new wave-ig, dunkel, treibend und wie aus einer anderen Zeit. Das Beste vom Guten, irgendwo zwischen Serene Fall und den mittelschnellen Momenten von Die Art. Gute Musik, um nachts Auto zu fahren. Eingängig, aber nicht so eingängig, daß einem die Songs nach 10 Durchläufen schon aus den Ohren hängen. Komplex, aber nicht so komplex, das es anstrengend wird. Ein tolles Album, das im schlimmsten Falle sträflich unterbewertet irgendwann für einen Euro auf eBay landen wird. Nehmen die Dinge aber eine positive Entwicklung, wird man irgendwann auf das hervorragende Debüt einer großartigen Band zurückblicken können. Noch ist nichts verloren! Geheimtipp! Beste Momente: Das Album wirkt wie aus einem Guß, aber Opener und Titeltrack sind besonders großes Kino. Dan Mangan – Nice, Nice, Very Nice /// Kein Album zum Nebenbeihören, ein Album zum Genießen. Ein guter Song jagt den nächsten, und wenn die beiden damit fertig sind, fangen sie von vorne an. Meist sparsam instrumentierter Folkrockpop, der in seinen besten Momenten wirklich große Kunst ist. Mangans Nachffolgewerk Oh Fortune soll noch deutlich ruhiger ausgefallen sein, was auch der Hauptgrund ist, warum ich mich bisher weigerte, in Oh Fortune reinzuhören. Es kann einfach nur schlechter sein, denn ein besseres Album ist nur schwer vorstellbar. Beste Momente:Robots need love too … they want to be loved by you! The Montesas – Midnight Beat /// Dieses Album steht hier eigentlich nur stellvertretend für all die tollen Montesas-Alben, die ich im letzten Jahr hören durfte. Neben dem Soul – siehe den nächsten Eintrag – haben auch der Beat, der Twist, der Hully Gully und der Rock’n’Roll Einzug in meine musikalische Welt gehalten. Und zwar fast ausnahmslos in Gestalt der Montesas! Auch hier jagt ein Hit den nächsten. Diese Platte macht einfach nur gute Laune und läßt das Tanzbein zucken. Wie schade, wenn man dann gar nicht tanzen kann. Das muß wohl die vielbeschriebene Ironie des Schicksals sein… trotzdem freue ich mich schon auf The Montesas im Februar live und in Stereo in Leipzig. Beste Momente:Last Summerdays, Midnight Beat und Can’t be your lover Sharon Jones & The Dap-Kings – Soul Time! /// 2011 wird als „das Jahr in dem auch der Soul Einzug hielt“ in meine private Musikgeschichte eingehen. Eine Compilation der ungekrönten Königin des Soul – Sharon Jones. Eine Platte die klingt, als wäre sie 40 Jahre alt. Die Band arbeitet ausschließlich mit Vintage-Instrumenten und lehnt jeglichen neumodischen Schnickschnack ab. Herausgekommen ist ein Album voller Herzblut und Energie. „You may feel this LP is a lesson in soulful and funky music. It’s the coolest school you’ll ever see, brought you by Sharon Jones.“Beste Momente: Der B‑B-Beat in New Shoes und das Kopfkino, das auf die Frage What if we all stop paying taxes? folgt. Sniffing Glue – s/t /// Deutschlands beste Hardcoreband. Aggressive Musik mit wütenden Texten. Punkt.
Schon wenn die Ouvertüre in Form von Eulogy erklingt wird klar, daß etwas Großes beginnt. Turners Durchquerung seines Vaterlandes in 15 Songs, die Bonustracks der Deluxe-Version eingeschlossen. Perfekter Rock’n’Roll-Zirkus mit großartigen Folkrock(was für ein widerliches Wort!)-Songs und Texten und Worten und Zeilen, die oft ein Tattoo wert wären. Live eine Wucht. Beste Momente: Die positive Wut mit der Turner in One Foot Before The Other seine Asche in die Kanalisation spülen läßt und die Dramatikkurve in Redemption.
Das soll’s auch schon gewesen sein. Für sachdienliche Hinweise sind wie immer Kommentare sehr gern gesehen!
Dieser Eintrag versammelt einige der ca. 300 von Frank Turner angeführten Gründe, kein Idiot zu sein. Er dient ausschließlich zu Dokumentations- und Recherchezwecken sowie zu meinem Privatvergnügen und wird bei entsprechendem Informationsfluß fortlaufend erweitert. Danke dennoch für die Aufmerksamkeit! Wenn Dein Grund hier noch fehlt, freue ich mich auf Deinen Kommentar!
This entry is trying to gather some (maybe all?) of the 300 „Reasons Not To Be An Idiot“ of the correspondent vinyl record by Frank Turner. If „your“ reason is missing please leave a comment here including the number of the record! Thanks!
Reason #003: Because no one really cares…
Reason #009: Because you will miss your fucking bus!
Reason #010: Because the shops are closing in 10 minutes…
Reason #021: Because people are trying to sleep in here!
Reason #033: Because the wind might change and you’ll be stuck like that forever
Reason #042: Because you might end up with Russell Brand’s hair
Reason #063: Because my name ain’t really Frank…
Reason #069: Because Prison won’t make you a man.
Reason #070: Because New Labour is full.
Reason #090: Because you have to pay for your sins sometime…
Reason #114: Because i need you to keep buying my records
Reason #115: Because it butters no parsnips
Reason #131: Because you should leave pointlessness to blunt pencils
Reason #148: Because Rick-Rolling isn’t funny anymore
Reason #160: Because the difference between Italian espresso and cocain is, frankly, academic
Reason #176: Because Joe Strummer is never coming back.
Reason #195: Because if Crass called the Clash „The Cash“, they’d surely laugh if they saw my stash.
Reason #196: Because integrity don’t keep you warm and sane.
Reason #206: Because Hollywood just wants to eat your soul
Reason #207: Because if rationalists take their eye off the ball, the god squad creep in through the back door again.
Reason #217: Because political correctness is just linguistic fascism.
Reason #219: Because I’m a Man, he’s a PC and you’re a Fascist (linux)
Reason #221: Because my battery’s running low
Reason #235: Because Art School is too cool.
Reason #259: Because level-crossing deaths slow down the traffic
Reason #265: Because Dumbledore dies at the end.
Reason #293: Because I’m not the outdoor type…
Reason #299: Because the only thing that’s left to do is live.
Reason #305: Because the line between collectivism and tyranny is a thin one indeed
Reason #314: Because I look nothing like Brett of Flight of the Conchords.
Reason #318: Because the internet = Skynet.
Reason #321: Because i’d forgotten how dull writing these reasons out is…
Mit kleiner Verspätung der Reise- und Konzertbericht zu
Frank Turner & The Sleeping Souls
live im Postbahnhof Berlin, 2. Dezember 2011
Was für eine Woche. Der Saftladen, der sich ganz harmlos Arbeitgeber nennt, steckt im vorweihnachtlichen Stresschaos fest und fordert seinen Tribut in Form von Überstunden ein. Also wieder kein Urlaub. Immerhin war es mir möglich, meinen Arbeitsplatz am Freitag pünktlich zu verlassen, denn die Fahrt nach Berlin stand an – Frank Haudegen Turner und The Sleeping Souls baten zum kollektiven Fäusterecken.
Also mit Kollegin K ab nach Potsdam zu Kollege D, der sich freundlicherweise bereiterklärt hat, bis nach Berlin weiter zu fahren. Es stößt noch Kollege S zum Trio und somit ist das Quartett komplett. Ich war über die abgegebene Last des Fahres froh, da ich ungern in Berlin Auto fahre. Das hat ausschließlich mit dem komplexen Verkehrsgeschehen in der Hauptstadt zu tun, die rein fortbewegungstechnisch einfach nicht meine Hauptstadt ist. Zuviele Autos, zuviele Menschen und keine Ahnung wo es langgehen könnte. Einmal Bauerntrampel, immer Bauerntrampel. Die Feldwege meiner Region sind mir vertraut wie der Inhalt meiner Jackentaschen; die Alleen und Hauptstraßen Berlins hingegen, bleiben mir auf ewig ein Buch mit sieben Siegeln.
Auf der Fahrt nach Berlin fiel ich durch penetrantes aus-dem-Fenster-glotzen auf, was Kollegen S zu folgendem denkwürdigen Satz veranlasste: „Ich stand mal im Wedding im Stau und mir war überhaupt nicht langweilig.“ Ich schlug vor, diesen Satz als allerersten seiner noch zu schreibenden Autobiographie zu verwenden, da er mir ausgesprochen gut gefiel. Ich glotze also und mir war auch nicht langweilig, denn die Stadt der Städte ist an Attraktionen reich: Es gibt chinesische Restaurants mit Namen Ding Dong, es gibt viel bunte Leuchtreklame und es gibt Menschen aus aller Herren Länder. Am Potsdamer Platz angekommen, leuchtete die neue Heiligkeit Berlins direkt vor uns. Ich weiß nicht, was die Berliner bzw. ihre Gäste am Potsdamer Platz so finden. Ich finde den nämlich ganz schön gruselig. Die auch nachts illuminierten gleichförmigen Büros wecken unweigerlich Assoziationen an Huxleys Schöne neue Welt oder Orwells 1984. Wer etwas anderes empfindet, ist entweder merkbefreit oder unsensibel.
Wir erreichten den Ostbahnhof, den vom Postbahnhof nur das P und 100 m Fußweg trennen. Kollege S bekam Hunger, verschwand für eine gefühlte Viertelstunde im Bahnhof und kam mit einer Pizzaschachtel voller in Quadrate geschnittener Pizzastücken zurück. Dem Anschein nach vermutete ich lauthals, Kollege S hätte um die Reste aus dem Steinofen gebettelt – er blieb jedoch felsenfest bei seiner Verlautbarung, für die Pizza bezahlt zu haben. Sei’s drum.
Pizza mampfend schritten wir hinüber zum Postbahnhof und baten an der Lokalität um Einlaß. Selbiger wurde uns prompt gewährt, denn klug wie wir nunmal sind, hatten wir bereits Karten. Es war recht voll und nach der obligatorischen Getränkeversorgung und dem Merchcheck sahen wir vom Nebenraum aus Frank Teufelskerl Turner und seine Mannen die Wendeltreppe zur Bühne hinabwandeln. Also flugs den Raum gewechselt, in der Gewißheit die Vorband The XCerts verpaßt zu haben. Was kein Drama war, denn ich fand die Band schon beim Hannover-Konzert – Interessierte finden hier den Reisebericht – verzichtbar.
Zu den Klängen von Eulogy ging’s los und das gleiche wohlige Gefühl stellte sich auch prompt ein. Meine Mitstreiter blieben hinten, ich kämpfte mich tapfer bis ins erste Drittel der Halle vor und fand einen guten Platz. Die Setlist bestand im wesentlichen aus den gleichen Songs wie beim Hannover-Gig. Ausgenommen das neue Cowboy Chords, das für eine kurze Verschnaufpause im ersten Teil des Konzertes sorgte. Nach anfänglicher Verhaltenheit hatte Frank Bratenbengel Turner nach 15 Minuten das Publikum fest im Griff und komplett auf seiner Seite. Spätestens bei Love Ire & Song gab es kollektiv kein Halten mehr. Die Gags, (deutschsprachigen) Ansagen und Überleitungen waren im Großen und Ganzen auch dieselben wie in Hannover. Zunächst war ich ob der Synchronität der beiden Shows etwas überrascht bis enttäuscht, im Gesamtfazit geht das als eine Art von Rock’n’Roll-Show aber durchaus in Ordnung. Wenn Frank Wahnwitz Turner mit ganzem Herzen bei der Sache ist und seine Shows vor Herzblut, Leidenschaft und Idealismus nur so strotzen … dann dürfen von mir aus auch die Gags aus dem Drehbuch kommen. Das viele Herzblut erklärt übrigens auch die recht „kurze“ Show von 90 Minuten inkl. Zugaben. Kollege D stellte ganz zu Recht fest, daß seine Stimme das ohnehin nicht länger mitmachen würde … bei dieser Art von leidenschaftlichem Einsatz.
Zum Abschluß gab’s erneut das großartige Somebody To Love und als Zugabe das selten gespielte Rock’n’Roll Romance und den ebenfalls schon aus Hannover bekannten Block aus The Ballad of Me and My Friends und Photosynthesis. Auch bei den letzten beiden Songs war das Publikum in exzellenter Mitsingstimmung, die Fäuste reckten sich gen Hallendecke und der Schweiß sammelte sich auf dem Hallenboden. Großes Kino.
Die Rückfahrt verlief enorm entspannt. Genau genommen so entspannt, daß ich hinter Potsdam den Tempomat auf 140 tackerte und bis zu meiner heimischen Abfahrt weder Gas- noch Bremspedal benutzen mußte. Colasaufend fuhren wir durch die Nacht… und da ich mein rechtes Bein nicht benötigte, pfiff ich auf dessen Zehen das England Keep My Bones Album in ganzer Länge.
Frank Turner & The Sleeping Souls
live im Kulturzentrum FAUST (60er Jahre Halle)
Am gestrigen Abend hieß es mal wieder, den Volkswagen zu satteln und ihm die Sporen zu geben. Dieses Mal wieder in Richtung Westen, über die Landesgrenze nach Hannover. Im Kulturzentrum Faust spielte Frank Incredible Turner, der Wirbelwind von der Insel, zum Tanze auf. Die Tickets lagen in weiser Voraussicht bereits seit Monaten bereit, was ich gestern Abend als kluge Entscheidung erwies. Das Konzert war ausverkauft und die Schlange am Einlaß ebenso endlos wie kalt.
Die Anfahrt verlief problemlos. Allerdings läßt der Straßenzustand der Autobahn 2 zwischen Helmstedt-Ost und Peine doch sehr zu wünschen übrig. Die Autobahn ist dort eine Berg- und Tal-Schunkel-Bahn, was mich umgehend zu der Erkenntnis brachte, daß der Abschwung West weiter in vollem Gange ist, während die in den letzten 20 Jahren auf den Boden gestampften Schnellfahrbahnen im Osten unseres Vaterlandes durch eine ebenso glatte wie elegant bitumierte Oberfläche zu überzeugen wissen. Wie auch immer – wir überwanden die Paß- und Visakontrolle in Marienborn ohne größere Probleme und kamen pünktlich in Hannover an. Die Parkplatzsuche gestaltete sich äußerst schwierig und langwierig, da das Kulturzentrum Faust recht zentral in Hannover-Linden gelegen ist. Schlußendlich fanden wir dann aber doch noch einen Parkplatz, allerdings einen, bei dem die hohe Kunst des zentimetergenauen Einparkens gefragt war. Kraft unserer Wassersuppe und Lenkbewegungen meisterten wir aber auch diese Hürde.
Am Faust angekommen, fanden wir eingangs erwähnte Schlange vor. Nach gut 15 Minuten waren wir an der Pole Position angelangt und prompt wurde uns Einlaß gewährt. Das Faust gliedert sich in mehrere Objekte und Lohkähschens, wie z. b. die Warenannahme, die Kunsthalle und eben die bereits genannte 60er Jahre Halle. Wir betraten also letztere, holten uns den obligatorischen Stempel ab und wurden nur kurz per Sichtcheck von der (sehr freundlichen!) Security überprüft. Die Halle entpuppte sich rein größentechnisch eher als mittelgroßer Schuppen. Ein LKW wäre dort vielleicht abstellbar, oder auch 150 Fahrräder. Aber nur, wenn man sie ordentlich stellt. Immer hübsch seitenverkehrt – Lenker an Hinterrad und andersherum. Konkreter werdend, würde ich sagen wollen, daß vielleicht 300 bis 400 Menschen in der Halle Platz fänden.
Kurz den Merch-Stand gecheckt (alles bereits vorhanden!) und dann erstmal ein Bier getrunken. Zu den Bierpreisen kann ich nichts sagen, da meine Begleitung so freundlich war, mich ernährungs- und getränketechnisch über den Abend zu retten. Im Gegenzug fuhr ich und spendierte die Tickets.
Nach längerer Warterei und dem obligatorischen Publikumscheck (Alles von 20 bis 40, hoher Frauenanteil), betraten dann auch schon die Herren der The Xcerts die Bühne. Geboten wurde wenig origineller Noiserock mit starken Emo-um-das-Jahr-1992-Einflüssen. Ganz nett, aber nicht nicht nett genug, als daß ich beispielsweise einen Tonträger der Formation besitzen wollte.
Nach kurzer Umbaupause dann endlich unser angelsächsischer Rächer aus Winchester Forest – Frank Amazing Turner! Los ging’s mit Eulogy vom letzten Album England Keep My Bones und von Sekunde 1 an ertönte der vielstimmige Chor aus Publikum und Frank Unbelievable Turner selbst. Was folgte war ein Hitfeuerwerk aus zunächst fünf Songs (genaue Setlist wird nachgereicht!) das kaum Zeit zum Luftholen ließ. Vielfach reckten sich bereits während den ersten Songs die Fäuste in die Lüfte und stellenweise sang das Publikum lauter als unser Hauptakteur selbst.
Dann erst die Begrüßung des Publikums durch Mr. Turner. Er erwähnte, daß sein erster Solo-Headliner-Ging vor Jahren im Chez Heinz in Hannover stattfand, weshalb er mit der Stadt besonders verbunden wäre. Alter Schleimer. Was folgte, waren insgesamt 90 Minuten Wahnsinn, Hits und gute Laune, nur unterbrochen durch die eloquenten Geschichten und Anekdoten, die Frank Turner zwischendurch zum Besten gab. Immer eingestreut in seine Geschichten sind die Worte fucking, fuck, motherfucking, Motherfuckers und shit. Das wirkt aber nie peinlich oder aufgesetzt, sondern einfach herzerfrischend und leidenschaftlich. Toller Mann, und das sage ich als Heterosexueller.
Dazwischen immer wieder die Aufforderung zum Mitsingen, der massenhaft nachgekommen wurde. Nebenbei gab es ein paar deutsche Sätze, beispielsweise wenn Mr. Turner das Publikum zu noch mehr Einsatz auffordern wollte: „Bizt Du mude? Kannst Du noch? Bizt Du Osterreicher?“. Was haben wir gelacht!
Vor Glory Hallelujah(„There never was no god“) entschuldigte er sich beim Publikum präventiv, falls er irgendjemandes religiöse Gefühle verletzten sollte. Man solle als Christ, Moslem, Whatever halt nicht hinhören und könne ja später trotzdem zusammen ein Bier an der Bar trinken. Korrekte Einstellung, wie ich finde. Das gleiche auch in Anspielung auf den Albumtitel England Keep My Bones („Germany and England were in fuckin‘ war with each other. But now were friends, aren’t we?). Bei Dan’s Song dann der ultimative Höhepunkt der Publikumsbeteiligung – die Air Harmonica! Da Mr. Turner seine Mundharmonika im Suff in Australien verloren hat, mußte das Publikum einspringen. Nach kurzer Probe und Einweisung durch den Meister ging’s dann im entsprechenden Mundharmonika-Part von Dan’s Song auch richtig ab: Das gesamte Publikum nahm seine imaginären Mundharmonikas vor den Mund und es erscholl ein hundertfacher Jaul- und Jammerchor, was für überbordende Heiterkeit sorgte.
Mittendrin gab’s noch eine großartige Coverversion von Queens Somebody To Love, das exzellente Sons Of Liberty und „for all the old punks in die audience“ das epische Love Ire & Song. Dann auch noch das berührende Long Live The Queen, da bleiben bei mir absolut keine Wünsche mehr offen.
90 Minuten waren viel zu schnell vorbei. Die Zugabe bestand aus Ballad Of Me And My Friends und Photosynthesis, welches zum allerletzten Höhepunkt wurde. Erneut wurde massive Publikumsbeteiligung eingefordert, und beim Gesang von „I won’t sit down and I won’t shut up and most of all I will not grow up“ fühlten wir uns wie eine Armee von berufsjugendlichen Minderjährigen auf Glückshormonen. Fuckin‘ amazing!
Abschließend das Fazit: Ein famoser Abend mit einem famosen Frank Unfaßbar Turner und einer großartig eingespielten Band. Eines der besten Konzerte, daß ich jemals besuchen durfte. Wenn Frank Turner in eurer Nähe spielt, geht hin. Der Mann ist jeden verdammten Cent wert.
Wir sehen uns am 2. Dezember in Berlin. 😀
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